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Datum:

Sonntag, 01 Januar 2023

Autor:

Yanick Herzog

Neue oder geänderte Gesetze im Jahr 2023

Neues Jahr, neue Gesetze: Sie finden hier einen kursorischen Überblick über die wichtigsten neuen oder geänderten Erlasse auf Bundesebene ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Erbrecht – Änderung der gesetzlichen Pflichteile

  • Ab 1. Januar 2023 wird das neue Erbrecht in Kraft gesetzt.
  • Die Reform hat sich das Ziel gesetzt, das Recht flexibler zu gestalten, an die aktuellen Lebensrealitäten anzugleichen und den zahlreichen alternativen Formen des Zusammenlebens (z.B. Patchworkfamilien, Konkubinatspaare etc.) vermehrt Rechnung zu tragen.
  • So werden u.a. die Pflichtteile des Erblassers angepasst. Nach neuem Recht wird der Pflichtteil der Nachkommen von ¾ des gesetzlichen Erbteils auf ½ reduziert. Zudem wird der Pflichtteil gegenüber den Eltern vollständig aufgehoben. Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten bzw. eingetragenen Partners bleibt hingegen unverändert.
  • Mit diesen gesetzlichen Anpassungen wird die frei verfügbare Quote des Erblassers erhöht und ihm somit mehr Flexibilität in der erbrechtlichen Planung eingeräumt.
  • Für das neue Erbrecht ist kein eigentliches Übergangsrecht vorgesehen. Als Folge ist dasjenige Recht als massgebend zu betrachten, welches zum Todeszeitpunkt des Erblassers gilt. Das bedeutet konkret, dass auf Erbfälle ab dem 1. Januar 2023 das revidierte Erbrecht anzuwenden ist.
  • Wir empfehlen, Ihre Nachlasspalnung und allfällige Verfügungen von Todes wegen überprüfen und gegebenenfalls anpassen zu lassen.

Arbeitsrecht – Einführung des Adoptionsurlaubs

  • Erwerbstätige Personen haben ab 1. Januar 2023 einen Anspruch auf einen durch die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigten zweiwöchigen Adoptionsurlaub, sofern sie ein Kind von unter vier Jahren zur Adoption aufnehmen.
  • Anspruch auf den neuen Adoptionsurlaub hat aber nur wer ihn innerhalb des ersten Jahres nach Aufnahme des Kindes geltend macht resp. bezieht.
  • Dabei beträgt die Adoptionsentschädigung 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, höchstens aber 196 Franken pro Tag. Sofern beide Elternteile erwerbstätig sind, kann der zweiwöchige Urlaub auch frei untereinander aufgeteilt werden, sofern der Urlaub nicht gleichzeitig bezogen wird. Ein gleichartiger Urlaubsanspruch bei der Stiefkindadoption besteht indessen aber nicht.

Strassenverkehrsrecht – Neues Signal für „Carpooling“

  • Ab Jahreswechsel wird der Signalkatalog der Signalisationsverordnung (SSV) zwecks Reduzierung der Umwelt- und Verkehrsbelastung um ein Symbol für Mitfahrgemeinschaften (sog. „Carpooling“) erweitert. Mit dem neuen Symbol kann angezeigt werden, dass Fahrbahnen oder Fahrspuren nur von Fahrgemeinschaften benutzt werden dürfen, oder es kann Fahrgemeinschaften erlauben, auf dem Busstreifen zu fahren.
  • Das Symbol kann ebenfalls dafür verwendet werden, um Parkplätze für Fahrgemeinschaften zu reservieren.
  • Das Symbol zeigt bildlich ein Auto mit mehreren Insassen und eine Zahl, welche anzeigt, wie viele Personen sich mindestens im Fahrzeug befinden müssen. Es kann auf einer Zusatztafel oder als Markierung auf Parkfeldern angebracht werden.

Steuerrecht – Lockerung der MWST-Pflicht für Vereine

  • Die eidgenössischen Räte haben in der Wintersession 2021 die Umsatzgrenze für die Mehrwertsteuerpflicht von nicht gewinnstrebigen, ehrenamtlich geführten Sport- und Kulturvereinen und gemeinnützigen Institutionen von bisher CHF 150‘000.00 auf neu CHF 250‘000.00 erhöht. Diese Änderung wird per 1. Januar 2023 in Kraft gesetzt.
  • Nach einer groben Schätzung können sich dadurch rund 180 Vereine und gemeinnützige Institutionen aus dem Mehrwertsteuerregister löschen lassen, da sie die Umsatzgrenze nicht erreichen und daher nun unter der neuen Gesetzgebung nicht mehr Steuersubjekt der Mehrwertsteuer sind.
  • Hierfür ist eine schriftliche Abmeldung bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV notwendig. Steuerpflichtige können sich jeweils auf Ende einer Steuerperiode abmelden. Die Abmeldung muss innert 60 Tagen nach Ende der Steuerperiode bei der ESTV eintreffen. Ohne Abmeldung gilt die Steuerpflicht weiterhin.

Aktienrecht – Abschluss der umfangreichen Aktienrechtsrevision

Ab dem 1. Januar 2023 tritt die finale Revisionsetappe der umfangreichen Aktienrechtsrevision der letzten Jahre in Kraft. Ab 2023 gelten im Aktienreicht u.a. folgende neue Regelungen:

  • Währung des Aktienkapitals und Mindestwert einer Aktie: Neu darf das Aktienkapital schweizerischer Aktiengesellschaften auch in einer ausländischen Währung geführt werden, sofern die Währung für die Geschäftstätigkeit wesentlich ist. Der Bundesrat hat hierzu ein Katalog mit zulässigen Fremdwährungen ausgearbeitet. Weiter wird der Mindestwert einer Aktie von einem Rappen (CHF 0.01) abgeschafft. Mit neuem Recht darf für den Mindestwert einer Aktie nun ein beliebiger Nennwert über Null eingesetzt werden.
  • Handlungsbedarf neu bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit: Das neue Aktienrecht stellt im Zusammenhang mit Sanierungsfällen neu die Liquidität der Gesellschaft in den Vordergrund. So ist der Verwaltungsrat bereits bei einer begründeten Besorgnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit verpflichtet, geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität zu ergreifen und (falls nötig) zusätzlich Sanierungsmassnahmen einzuleiten. Nötigenfalls ist ein Gesuch um Nachlassstundung zu stellen.
  • Die Generalversammlung im digitalen Zeitalter: Um den Lebensrealitäten der aktuellen Zeit gerecht zu werden, erlaubt das neue Aktienrecht als weitere Neuerung nun auch die Nutzung von digitalen Technologien bei der Abhaltung der Generalversammlung.
  • Anpassung von Statuten und Organisationsreglementen: Bestehende Statuten und Reglemente müssen hinsichtlich der Gesetzesnovellen im Aktienrecht überprüft und angepasst werden, sofern sie nicht mehr gesetzeskonform sind. Eine Anpassung hat innerhalb einer Frist von 2 Jahren, also bis spätestens Enden 2024, zu erfolgen. Uneingeschränkt gilt das neue Aktienrecht erst ab 2025.

Steuerrecht – Höherer Abzug für Kinderbetreuung

  • Neu können bei der direkten Bundessteuer ab der Steuerperiode 2022 die nachgewiesenen Kosten für die Drittbetreuung von Kindern künftig im Umfang von maximal CHF 25‘000.00 pro Kind und Jahr abgezogen werden. Bisher lag der maximale Abzug bei CHF 10‘100.00. Mit dieser Änderung will der Gesetzgeber die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern.
  • Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des Abzugs bleiben hingegen unverändert. Damit der Abzug geltend gemacht werden kann, muss das Kind weniger als 14 Jahre alt sein und mit der steuerpflichtigen Person zusammen im gleichen Haushalt leben. Zudem ist ein direkter Zusammenhang zwischen den Betreuungskosten und der Arbeit oder Ausbildung der Mutter oder des Vaters vorausgesetzt.

Datenschutz – Neues Datenschutzgesetz ab 1. September 2023

  • Das totalrevidierte Datenschutzgesetz und die entsprechenden Bestimmungen in den Verordnungen sorgen ab dem 1. September 2023 für einen besseren Schutz der persönlichen Daten.
  • Insbesondere wird der Datenschutz den technologischen Entwicklungen angepasst, die Selbstbestimmung über die persönlichen Daten gestärkt sowie die Transparenz bei der Beschaffung von Personendaten erhöht.
  • Das neue Datenschutzrecht stellt auch die Vereinbarkeit mit dem europäischen Recht sicher und ermöglicht es, die modernisierte Datenschutzkonvention 108 des Europarates zu ratifizieren.
  • Die innerstaatlichen Anpassungen des Datenschutzrechts ist nötig, damit die EU die Schweiz weiterhin als Drittstaat mit einem angemessenen Datenschutzniveau anerkennt und die grenzüberschreitende Datenübermittlung auch künftig ohne zusätzliche Anforderungen möglich bleibt, was für den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zentral ist.

Wettbewerbsrecht – aktualisierte Vertikalvereinbarungs-Regeln

  • Die Wettbewerbskommission (WEKO) hat ihre Vertikalbekanntmachungen zu Vereinbarungen von Unternehmen verschiedener Marktstufen überarbeitet.
  • Solche Vereinbarungen (z.B. zwischen Herstellern und Detailhändlern) sind bei Unternehmen jeglicher Grössenordnung an der Tagesordnung und erhöhen regelmässig die Effizienz innerhalb einer Produktions- oder Vertriebskette. Gewisse Vereinbarungen wie beispielsweise Preisbindungen oder Abschottungen des schweizerischen Marktes können jedoch unzulässig sein.
  • Die WEKO und die europäischen Wettbewerbsbehörden zeigen auf, welche Verhaltensweisen erlaubt sind und welche nicht. Hierzu veröffentlicht die WEKO Vertikalbekanntmachungen inkl. Erläuterungen. Mit der jüngsten Abänderung dieser Vertikalbekanntmachungen, trägt die WEKO der jüngsten Rechtsprechung und Fallpraxis in der Schweiz (insb. Leitentscheid BGE 147 II 72) sowie den Entwicklungen in der EU Rechnung, und stellt sicher, dass innerstaatlich grundsätzlich weiterhin die gleichen Regelungen zur Anwendung gelangen wie in der EU.
  • Die Unternehmen haben ein Jahr Zeit, ihren Vertrieb an die neuen Regeln anzupassen.

Sozialversicherungsrecht – Wegfall des Solidaritätsprozents

  • Seit dem Jahre 2011 wurde auf jährlichen Lohnbestandteilen von über CHF 148‘200.00 bis dato ein sogenanntes „Solidaritätsprozent“ als Beitrag zur Entlastung der Arbeitslosenversicherung erhoben.
  • Da sich die finanzielle Lage der Arbeitslosenkasse über die letzten Jahre verbessert und stabilisiert hat, fällt dieses Solidaritätsprozent für entsprechende Einkommen per 1. Januar 2023 automatisch von Gesetzes wegen weg. Dieser Wegfall trägt im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld zur Entlastung der Unternehmungen bei.

Übernahme von EU-Recht für die Anwendung von Drohnen 

  • Der Gemischte Ausschuss des bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über den Luftverkehr hat am 24. November 2022 die Übernahme der EU-Drohnenreglementierung sowie weiterer EU-Rechtsvorschriften durch die Schweiz beschlossen.
  • Neu wird abhängig vom Betriebsrisiko zwischen den drei Kategorien «offen», «speziell» und «zulassungspflichtig» unterschieden. Alle Fernpilotinnen oder -piloten, die eine Drohne in der offenen Kategorie betreiben möchten, müssen ein nach einer Ausbildung mit abschliessender Prüfung erlangtes Zertifikat vorweisen können. Die übernommene Regelung sieht die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Zertifikate in der EU und der Schweiz vor.
  • Die neuen Regelungen sehen neue maximale Flughöhen, Gewichtslimiten sowie Gebietseinschränkungen vor. Um auf die Anliegen der Bevölkerung einzugehen, wurden Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Schutz der Privatsphäre und Sicherheit eingeführt.
  • Die Schweiz wird auch die europäische Regulierung zum «U-Space» anwenden. Dabei handelt es sich um eine Gesamtheit digitaler und automatisierter Funktionen und Prozesse, die in einem definierten Luftraum eingesetzt werden. Mit U-Space soll die steigende Zahl von Flugbewegungen ziviler Drohnen sicher in den Luftraum integriert werden. Die Pilotinnen und Piloten haben fortan eine bessere Übersicht über die Verkehrssituation.

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