+41 (0)62 956 10 20

Datum:

Montag, 07 Januar 2019

Autor:

Sven Märki

Neues Jahr - neue Gesetze 2019

Per 1. Januar 2019 sind verschiedene neue oder geänderte Erlasse auf Bundesebene in Kraft getreten. Ein kursorischer Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Zivilgesetzbuch (ZGB)

Kleinkinder bessser vor Misshandlung und Missbrauch schützen

  • Ausgeweitete Meldepflicht bei Kindeswohlgefährdung: Neu sind nicht nur Personen in amtlicher Tätigkeit (z.B. Lehrer, Sozialarbeiter etc.) verpflichtet, Kindeswohlgefährdungen der KESB zu melden, sondern alle Fachpersonen, die beruflich regelmässig mit Kindern Kontakt haben (z.B. KITA-Mitarbeiter, professionelle Sporttrainer etc.).
  • Gelockertes Melderecht bei Kindeswohlgefährdung: Neu dürfen Berufsgeheimnisträger (z.B. Ärzte, Psychologen, Anwälte) nicht mehr nur bei Vorliegen einer strafbaren Handlung die KESB informieren, sondern bereits dann, wenn eine Meldung im Interesse des Kindes liegt.

Kein Zwang mehr, ein Mandat als Beistand zu übernehmen

  • In der Praxis verzichten bereits sämtliche Kantone darauf, Personen gegen ihren Willen zu verpflichten, ein Mandat als Beistand zu übernehmen. Neu sieht auch das Gesetz vor, dass ein Beistandschaftsmandat nur freiwillig übernommen werden kann.

E-Government / elektronisches Grundbuch

  • Der Bundesrat erweitert und erleichtert die gesetzlichen Möglichkeiten für die Kantone, das Grundbuch elektronisch zu führen, indem bestimmte Aufgaben neu an private Aufgabenträger übertragen werden können.

 

Zivilstand (ZGB, ZStV)

Trauerarbeit der Eltern bei Fehlgeburt unterstützen und Formalitäten rund um die Bestattung erleichtern

  • Neu können Eltern eine Fehlgeburt dem Zivilstandsamt melden, welches in einem vereinfachten Verfahren eine Bestätigung ausstellt.
  • Im Gegensatz zu Totgeborenen (Kinder, die nach der vollendeten 22. SSW mit einem Geburtsgewicht von mehr als 500 Gramm geboren wurden), welche unter gewissen Voraussetzungen in das Personenstandsregister eingetragen werden, können Fehlgeborene (Kinder, die vor der vollendeten 22. SSW und mit weniger als 500 Gramm geboren wurden) weiterhin nicht im Register eingetragen werden.

Einfachere Auskunft über die Abstammung bei Samenspenden

  • Neu können volljährige Personen, die aufgrund einer Samenspende geboren wurden, die Abstammungsdaten und Angaben über den Samenspender per Post an ihre Wohnadresse zustellen oder über eine medizinische Fachperson nach Wahl (z.B. Hausarzt) mitteilen lassen.
  • Personen hingegen, die vor 2001 (Inkrafttreten des Fortpflanzungsmedizingesetzes) aufgrund einer Samenspende geboren wurden, sind an den damals behandelnden Arzt verwiesen.

 

Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG)

Gesetzesanpassugn an die wirtschaftliche Realität zunehmender internationaler Verflechtungen: Anerkennung ausländischer Konkurs- und Nachlassverfahren vereinfachen

  • Neu müssen Gläubiger nicht mehr nachweisen, dass der betreffende Staat entsprechendes Gegenrecht gewährt.
  • Neu können Verfahren anerkannt werden, die in dem Staat eröffnet worden sind, in dem der Schuldner seine hauptsächlichen Interessen hat.
  • Neu muss das Hilfskonkursverfahren nur durchgeführt werden, wenn in der Schweiz schutzbedürftige Gläubiger vorhanden sind.
  • Neu ist die Stellung der Gläubiger von Niederlassungen in der Schweiz verbessert (Forderungseingabe ohne paralleles Niederlassungskonkursverfahren).

 

Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)

Griffigere Mittel gegen ungerechtfertigte Betreibungen:

  • Wer betrieben wird, kann neu drei Monate nach Erhalt des Zahlungsbefehls beim Betreibungsamt verlangen, die Betreibung im Registerauszug gegenüber Dritten nicht offenzulegen. Das Betreibungsamt setzt daraufhin dem Gläubiger eine Frist von 20 Tagen, um nachzuweisen, dass er ein Verfahren eingeleitet hat, um den Rechtsvorschlag zu beseitigen - er muss also nachweisen, dass es ihm mit der Betreibung ernst ist.
  • Wer betrieben wird, kann neu auch dann, wenn er gegen die Betreibung Rechtsvorschlag erhoben hat, ohne vorgängiges Schlichtungsverfahren vom Gericht am Betreibungsort feststellen lassen, dass die Schuld nicht oder nicht mehr besteht ("Feststellungsklage"; Art. 85a SchKG). Bisher war die Feststellungsklage nach SchKG nur möglich, wenn kein Rechtsvorschlag erhoben worden ist - ohne Rechtsvorschlag kann aber der Gläubiger die Betreibung fortsetzen und z.B. die Pfändung vollziehen lassen.

 

Strafrecht (StGB, JStGB, MStGB) und Nebenstrafrecht (SVG etc.)

Umsetzung der "Pädophilen-Inititive": Lebenslängliches Tätigkeitsverbot für pädophile Sexualstraftäter

  • Das Gericht muss bei Verurteilungen von Erwachsenen wegen Sexualdelikten an Minderjährigen und anderen besonders schützenswerten Personen (z.B. Hilfsbedürftigkeit wegen Alter, Krankheit oder Abhängigkeit vom Täter) grundsätzlich zwingend ein lebenslanges Tätigkeitsverbot anordnen.
  • Das Gesetz sieht einen Katalog von Anlasstaten vor, welche das Tätigkeitsverbot nach sich ziehen.
  • Verhältnismässigkeitsprinzip: In besonders leichten Fällen von gewissen Sexualstraftaten (namentlich "Jugendliebe")  kann das Gericht ausnahmsweise vom lebenslangen Tätigkeitsverbot absehen, sofern keine Rückfallgefahr besteht.
  • Ein lebenslanges Tätigkeitsverbot wird durch Bewährungshilfe und Eintrag im Strafregister ("Sonderprivatauszug") durchgesetzt.

Verkehrsmedizinische Kontrolluntersuchungen

  • Neu sind erst ab 75 Jahren die regelmässigen zweijährigen verkehrsmedizinischen Kontrollen obligatorisch (bis anhin war 70 die Grenze für "Senioren" im Sinne der Strassenverkehrssicherheit).

 

Geldspielgesetz (GSP) und dazugehörige Verordnungen sowie Steuerfolgen

Per 1. Januar 2019 treten das neue Geldspielgesetz sowie seine Verordnungen als Ersatz für das bisherige Spielbanken- und das Lotteriegesetz in Kraft

  • Neu sind Online-Spiele (z.B. Poker, Roulette) zulässig, sofern die Betreiber über eine Bewilligung verfügen.
  • Der Zugriff auf nicht bewilligte Online-Spiele wird gesperrt (Inkrafttreten der Zugriffssperre am 1. Juli 2019).
  • Neue Rahmenbedingungen für kleinere Pokerturniere ausserhalb der Spielbanken: Maximales Startgeld CHF 200.00; maximale Summe der Startgelder CHF 20'000.00.
  • Neue maximale Summen aller Einsätze für Kleinlotterien und Tombolas ("Plansumme"): Tombolas CHF 50'000.00 (darüber als Kleinlotterie bewilligungspflichtig) / Kleinlotterien zur Finanzierung überregional bedeutender Anlässe CHF 500'000.00.
  • Die Bestimmungen zur Prävention und zum Schutz vor Spielsucht wurden ausgebaut.
  • Neue Bestimmungen regeln die technischen Aspekte und sollen Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung unterbinden.

Neue Steuerfolgen bei Gewinnen aus Geldspielen

  • Gewinne aus Spielbankenspielen (Casinos) sind weiterhin steuerfrei.
  • Gewinne aus in der Schweiz zugelassenen Online-Spielbankenspielen und Grossspielen (z.B. Swisslos) sind neu bis zu CHF 1 Mio. steuerfrei.
  • Gewinne aus ausländischen oder in der Schweiz nicht zugelassenen Geldspielen sind vollumfänglich steuerbar.

 

Asylgesetz (AsylG) sowie Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG)

Die seit 2014 in Zürich erfolgreich getesteten beschleunigten Asylverfahren werden per 1. März 2019 schweizweit eingeführt

  • Das revidierte Asylverfahren wurde 2016 von Volk und Ständen angenommen. Es sieht im Kern kürzere Fristen sowie für die Asylsuchenden von Anfang an eine Beratung und Rechtsvertretung vor, alles unter einem Dach in Bundesasylzentren.
  • Im Testbetrieb hat sich gezeigt, dass die beschleunigten Verfahren um einen Drittel kürzer sind, die Beschwerdeverfahren um einen Drittel reduzieren und dreimal mehr Asylsuchende freiwillig in ihr Land zurückkehren.
  • Aufgrund des hohen technischen, organisatorischen und strukturellen Anpassungsbedarfs wurde die Revision gestaffelt umgesetzt - nunmehr wird der dritte und letzte Teil in Kraft gesetzt.

Umsetzung der Integrationsagenda für Asylsuchende im Frühjahr 2019

  • Frühe und verbindliche Integrationsziele für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene durch konkrete Massnahmen  von Bund und Kantone (Grundkenntnisse einer Landessprache nach drei Jahren, mindestens die Hälfte aller erwachsenen Personen im Arbeitsmarkt integrieren nach sieben Jahren etc.).
  • Nebst der Integration als gesellschaftliches Ziel soll die Agenda die Sozialhilfekosten senken.

Integration von Ausländerinnen und Ausländern durch positive Anreize fördern

  • Das Ausländergesetz (AuG) heisst neu Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG).
  • Ab 1. Januar 2019 können Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene nach Meldung an die Arbeitsmarktbehörde eine Erwerbstätigkeit aufnehmen.
  • Neu gelten konkrete Integrationskriterien bei Erteilung und Verlängerung von Bewilligungen und die Anforderungen steigen, je mehr Rechte ein ausländerrechtlicher Status mit sich bringt.
  • Neu kann eine Aufenthaltsbewilligung mit einer Integrationsvereinbarung verbunden werden; werden die Integrationskriterien nicht erfüllt, kann das sanktioniert werden (Rückstufung von Niederlassungs- auf Aufenthaltsbewilligung).

 

Sozialversicherungen

AHV- und IV-Renten steigen

  • Die Minimalrente steigt um CHF 10.00 pro Monat auf CHF 1'185.00 und die Maximalrente um CHF 20.00 auf CHF 2'370.00.
  • Auch die Beträge für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs der Ergänzungsleistungen steigen und die Entschädigungen für Hilflose wurden angepasst.

Angepasste Grenzbeträge in der beruflichen Vorsorge, insbesondere für Arbeitslose

  • Der Koordinationsabzug beträgt neu CHF 24'885.00 und die Eintrittsschwelle steigt auf CHF 21'330.00.
  • Der maximal erlaubte Steuerabzug beträgt neu CHF 6'826.00 (mit 2. Säule) resp. CHF 34'128.00 (ohne 2. Säule).
  • Arbeitslose müssen mit neu 0.25% des koordinierten Taggeldes weniger als bisher an die berufliche Vorsorge beisteuern.

Teilen